Warten auf Weihnachten
Was passiert mit uns, wenn wir auf etwas oder jemanden warten? Ich werde meistens hibbelig. Beim Warten auf den Bus gucke ich ständig die Straße hinunter, ob er nicht schon kommt. Beim Warten in der Kassenschlange wippe ich mit den Füßen. Beim Warten auf meine Kinder werde ich gnatzig. Warten ist für mich wie verschwendete Lebenszeit. Oft kann ich mich auf gar nichts anderes konzentrieren in dieser Zeit als auf meine Ungeduld.
Und jetzt: warten auf Weihnachten. Und zwar nicht nur, weil es eben noch nicht dran ist; sondern hier ist das Warten Teil des Konzeptes.
Leo Tolstoi hat eine Geschichte geschrieben über einen Schuster, der auf Gott wartet. Gott hat sich ihm angekündigt. Doch während der Schuster aufgeregt auf Gott wartet, wird er immer wieder abgelenkt. Er tröstet eine Nachbarin, er hilft einem alten Straßenkehrer, er unterstützt einen Jungen. Am Abend meint er traurig, er habe Gott verpasst. Dann hört er Gottes Stimme, die sich bedankt für all das Gute, das der Schuster ihm heute getan hatte.
Wenn ich ungeduldig warte, ist das wirklich verschwendete Lebenszeit. Wenn ich aber die Zeit des Wartens nutze, kann daraus doch Gutes entstehen. Da ist plötzlich etwas übrig. Vielleicht ist es das, was ich selber dringend brauche: etwas Zeit? Ich kann einen Augenblick lang einfach nichts machen, nur da sein, atmen, den Blick und die Gedanken schweifen lassen. Oder ich kann anderen von dem abgeben, was ich während des Wartens gerade sowieso zu viel habe: von meiner Zeit.
Wenn Advent nicht mehr die Zeit des Wartens, sondern der Hektik, des Gestresstseins und der Überforderung ist, dann läuft da was falsch. Dann ist es höchste Zeit, sich etwas Zeit zu nehmen. Zum Warten. Auf mich selbst warten, damit ich Zeit habe, wieder in meinem Alltag anzukommen. Auf andere warten, was ja ein Zeichen großer Wertschätzung ist. Und auf Gott warten, damit er zu mir kommen kann.